Mit dem ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) hat der Unternehmer einen neuen Weg aus der Krise erhalten. Die Regelungen sollen das Insolvenzverfahren planbar machen und die Unternehmer motivieren, frühzeitig eine Sanierung zu starten. Die Bilanz nach fünf Jahren: Das Gesetz hat seine Ziele teilweise erreicht. Rund 1300 Unternehmer haben bisher ein Eigenverwaltungsverfahren im Rahmen des ESUG genutzt. Das Potenzial ist jedoch dreimal so hoch. Hinderungsgrund ist weiterhin das Stigma der Insolvenz.

Deutlich mehr als 20 000 Unternehmen gehen in Deutschland in jedem Jahr in die Insolvenz. Damit werden regelmäßig Werte in Milliarden-Höhe und mehr als 100 000 Arbeitsplätze vernichtet. In vielen Fällen müsste es nicht so weit kommen. Mehrere tausend insolvenzgefährdete Unternehmen wären zu retten, wenn die Verantwortlichen frühzeitig die Option einer Sanierung unter Insolvenzschutz in ihre Überlegungen einbeziehen würden. Stattdessen meiden viele Unternehmen ein gerichtliches Verfahren. Sie melden erst Insolvenz an, wenn auch die letzten finanziellen Reserven erschöpft sind. Für eine Sanierung in Eigenverwaltung ist es dann häufig zu spät.

Um das zu ändern, trat am 1. März 2012 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft. Damit wollte der Gesetzgeber die Stigmatisierung der Insolvenz überwinden und Unternehmen in einer Krisensituation den Weg ebnen, sich über eine Insolvenz zu sanieren. Gleichzeitig sollte der Gang durch die Insolvenz für den Insolvenzschuldner berechenbar werden. Fünf Jahre nach der Reform des Insolvenzrechts ist dieses Ziel erst teilweise erreicht. „Viele Unternehmen lassen sich inzwischen zielgerichtet und frühzeitig über die Möglichkeiten einer Sanierung im Rahmen des ESUG beraten. Aber noch immer zögert die überwiegende Zahl der Betroffenen zu lange, sich mit der Insolvenz als Sanierungschance zu beschäftigen. Viele kennen diese Option auch noch gar nicht“, stellt Sanierungsexperte Robert Buchalik, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungsunternehmens Buchalik Brömmekamp, fest.

Auch bei der vorläufigen Eigenverwaltung oder dem Schutzschirmverfahren handelt es sich um ein Insolvenzverfahren. Allerdings räumt das ESUG Unternehmen, die sich frühzeitig unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, eine Vielzahl von Sondervergünstigungen ein, damit die Sanierung gelingt und Arbeitsplätze erhalten werden. So bleibt die Geschäftsführung im Amt und vertritt das Unternehmen auch weiterhin nach außen – allerdings unter Aufsicht eines (vorläufigen) Sachwalters. Löhne und Gehälter werden bis zu drei Monaten aus den Mitteln des Insolvenzgelds vorfinanziert. Die dadurch gesparte Liquidität kann voll für die Sanierung eingesetzt werden. Zudem kann sich das Unternehmen unter Insolvenzschutz aus ungünstigen, auch langfristigen Verträgen durch einfache Erklärung lösen. Ein Sanierungskonzept bedarf nicht der Zustimmung aller Gläubiger, sondern kann auch mit Mehrheit durchgesetzt werden. Während der Dauer des Verfahrens ist das Unternehmen vor Eingriffen der Gläubiger geschützt.

„Unternehmen in einer Krisensituation, die ausreichend Liquidität haben, um die Verfahrenskosten zu finanzieren und ein belastbares operatives Sanierungskonzept umsetzen, gehen regelmäßig gestärkt aus einem Eigenverwaltungsverfahren hervor“, sagt Buchalik. Im vergangenen Jahr nutzten etwa 250 insolvenzgefährdete Unternehmen diese Option zur Sanierung. „Das zeigt, dass das Thema ESUG in der Breite angekommen ist. Denn von den knapp 22 000 Unternehmen, die im vergangenen Jahr in die Insolvenz gingen, eigneten sich allenfalls 500 bis 600 für ein solches Verfahren“, stellt Buchalik fest. Bei der überwiegenden Zahl der Unternehmensinsolvenzen handelt es sich üblicherweise um sehr kleine Betriebe. Ein Eigenverwaltungsverfahren lässt sich dagegen meist nur bei Unternehmen mit einer Mindestgröße von 20 Mitarbeitern sinnvoll durchführen.Nach Einschätzung von Buchalik würden die Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen des ESUG noch stärker genutzt, wenn Industrie- und Fachverbände besser darüber informieren würden. In manchen Branchen, etwa in der Bauwirtschaft oder im Einzelhandel, seien Eigenverwaltungsverfahren erst wenig bekannt. Auch würden insolvenzgefährdete Unternehmen häufig falsch beraten. „Unternehmer gehen in der Krise oft zu einem Insolvenzverwalter. Die haben jedoch kein großes Interesse, ein Eigenverwaltungsverfahren durchzuführen. Viel lieber begleiten sie ein Unternehmen in die Regelinsolvenz. Das ist weniger komplex und verspricht in vielen Fällen ein deutlich höheres Honorar“, beobachtet Buchalik.

Nach seiner Einschätzung ist eine Insolvenz in Deutschland nach wie vor ein Stigma. Sie werde gleichgesetzt mit Versagen. In vielen anderen Ländern, insbesondere in Amerika, sei das ganz anders. Dort gelte es als wertvolle Erfahrung, eine Insolvenz durchlebt zu haben. Niemand werde deshalb geächtet. So seien auch Apple-Gründer Steve Jobs, Henry Ford oder Walt Disney mehrfach gescheitert, bevor sie ihren Durchbruch schafften.

Weil ein gerichtliches Verfahren nach wie vor stigmatisiert ist, wünschen sich große Teile des deutschen Mittelstands ein gesondertes, nicht mehr in der Insolvenzordnung eingebettetes Restrukturierungsverfahren. Das zeigen entsprechende Befragungen. Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr einen entsprechenden Richtlinienvorschlag veröffentlicht. Die Bundesregierung wird dazu 2017 einen Gesetzesentwurf vorlegen. „Ein solches Verfahren wird allerdings nicht die Möglichkeiten eines Insolvenzplanverfahrens bieten. Der entscheidende Vorteil in der Eigenverwaltung ist, dass man sich leichter von Altlasten und unrentablen Langfristverträgen trennen kann. Vorinsolvenzlich geht das nicht, weil beispielsweise die Rechte der Mitarbeiter nicht angetastet werden dürfen“, sagt Buchalik.

Das komplette Interview mit Robert Buchalik lesen Sie hier

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