Die Sanierungsmoderation – ein neues Sanierungsinstrument

Ist die Sanierungsmoderation alter Wein in neuen Schläuchen oder hat der Gesetzgeber mit dem StaRUG den freien Sanierungsvergleich revolutioniert?

Die Vertragsautonomie in Deutschland erlaubte es schon immer, dass Gläubiger und Schuldner die Möglichkeit einer Einigung im Sinne eines außergerichtlichen Vergleichs im Rahmen der gesetzlichen Grenzen nutzen. Die Zustimmung aller an solchen Vergleichsgesprächen beteiligten Partner war und ist eine unabänderliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung. Der ggfs. auch grundlos opponierende „Akkordstörer“ wurde und wird auch vom BGH geschützt. Es gibt keinerlei rechtliche Verpflichtung seitens eines Gläubigers, einen außergerichtlichen Sanierungsversuch mitzutragen. Zudem kann die Gefahr einer späteren Anfechtung von Vergleichsregelungen nicht ausgeschlossen werden. Dies führte dazu, dass in der Vergangenheit die außergerichtliche Sanierung sich nie wirklich durchgesetzt hat.

Die gesetzliche Grundlage der Sanierungsmoderation

Der Gesetzgeber hat im Rahmen des im Dezember 2020 verabschiedeten Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz – StaRUG) dieses Instrument wieder aufgegriffen. Er versucht damit, die außergerichtliche Sanierung im Sinne einer „Sanierungsmoderation“ (§§ 94-100 StaRUG) als ein mögliches Instrument im Werkzeugkasten der strukturierten Sanierungsverfahren zu platzieren.

Für welche unternehmerischen Situationen ist das Verfahren geeignet?

Theoretisch können alle der Vertragsautonomie unterliegenden Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner im Wege einer Sanierungsvereinbarung geregelt werden. Mit steigender Komplexität des Unternehmens oder der aktuellen Situation und bei einer hohen Anzahl an Verfahrensbeteiligten wird die Chance auf eine einstimmige Lösung immer schwieriger.

Ist das Problem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger eingrenzbar oder handelt es sich nur um wenige Verfahrensbeteiligte, so kann die Sanierungsmoderation eine echte Vorstufe für ggfs. doch noch notwendige Instrumente aus dem StaRUG oder der Insolvenzordnung sein. Beispiele hierzu lassen sich z. B. beim Handel finden. Die Verhandlung mit einem oder wenigen Filial-Vermietern, die Abmilderung von Belastungen aus Leasing-/Finanzierungsverträgen, die Verbesserung der Konditionen mit Zentralregulierern etc. könnten Gegenstand einer Sanierungsmoderation sein. Auch die Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der jeweiligen Gewerkschaft zum Abschluss eines Sanierungstarifvertrags könnten im Rahmen einer Sanierungsmoderation unterstützt und begleitet werden.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Sanierungsmoderation gegeben sein?

Auf Antrag eines „restrukturierungsfähigen“ Schuldners kann durch Bestellung eines Sanierungsmoderators das Verfahren beim zuständigen Restrukturierungsgericht in Gang gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat zwei wesentliche Voraussetzungen formuliert, die sowohl für den Zeitpunkt der Antragstellung als auch für die Dauer des gesamten Verfahrens erfüllt sein müssen (vgl. §§ 94 Abs. 1, 96 Abs. 4; 99 Abs. 1 Ziffer 2 StaRUG).

Während des gesamten Zeitraums der Sanierungsmoderation darf keine Zahlungsunfähigkeit im Sinne § 17 InsO eintreten. Der antragstellende Schuldner muss seinem Antrag eine Erklärung beifügen, dass eine offensichtliche Zahlungsunfähigkeit nicht vorliege.

Der Gesetzgeber hat es darüber hinaus in das Pflichtenheft des Sanierungsmoderators geschrieben, dass eine ihm während des Verfahrens „bekannt gewordene“, zwischenzeitlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unmittelbar beim zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt wird.

Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, so darf weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch im Verlaufe des Verfahrens eine Überschuldung eintreten.

Die Sanierungsmoderation muss daher gut vorbereitet werden, damit zu jedem Zeitpunkt die Voraussetzungen als erfüllt gegeben sind. Der Nachweis mag sehr aufwendig erscheinen, gehört aber schon seit langer Zeit zu den grundlegenden Pflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters. In § 1 StaRUG wurde der Einsatz von sogenannten Früherkennungssystemen stärker kodifiziert und in das Pflichtenheft der Geschäftsführung geschrieben. Eine ständige Prüfung der Zahlungsfähigkeit und die Frage der Überschuldung zählen zu diesen Aufgaben.

Sitzt das Unternehmen stets im Fahrersitz bei diesem Verfahren?

Dass der Gesetzgeber aufgrund der zu erfüllenden Voraussetzungen die Steuerung des Verfahrens beim Unternehmen (Antragsteller) sieht, lässt sich an mehreren Stellen im Gesetz ablesen. Nach § 94 Abs. 1 StaRUG beantragt ausschließlich das Unternehmen oder der Unternehmer (Schuldner) schriftlich die Einsetzung eines Sanierungsmoderators beim zuständigen Gericht. Nach § 99 Abs. 1 StaRUG kann der Schuldner den eigenen Antrag jederzeit wieder zurücknehmen. Ein neuer Sanierungsmoderator wird nach § 99 Abs. 2 ebenfalls nur auf Antrag des Schuldners wiedereingesetzt.

Was ist unter der Sanierungsmoderation zu verstehen?

Die Intention des Gesetzgebers ist es, dass eine dritte, unabhängige sowie sach- und fachkundige Person (Sanierungsmoderator) die Komplexität der Sachverhalte analysiert, den Sachverhalt in einzelne Themen auflöst und durch gezielte Moderation nach Lösungswegen mit dem Schuldner und den einbezogenen Gläubigern sucht. Eigentlich wünscht sich der Gesetzgeber die „eierlegende Wollmilchsau“ an dieser Stelle. Wobei weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung eindeutige Qualifikationsanforderungen an den Sanierungsmoderator formuliert sind. Es ist sicher hilfreich, wenn der Moderator den unternehmerischen Alltag der Gesprächspartner nachvollziehen kann. Am besten ist es, wenn darüber hinaus Branchenkenntnisse vorhanden sind. Juristische Werkzeuge, wie Kenntnisse bspw. im Vertrags- und Insolvenzrecht und betriebswirtschaftliche Kenntnisse stellen das Rüstzeug für die Analyse der Situation des Unternehmens dar.

Wesentlich für den Erfolg des Sanierungsmoderators ist auch die Fähigkeit zur Moderation. In u. U. langen und zähen Verhandlungen gilt es, konsensuale Lösungen zu finden, die zu einem sog. Sanierungsvergleich führen. (vgl. §§ 94, 95 StaRUG).

Auch während des Verfahrens steht der Sanierungsmoderator unter der Aufsicht des Restrukturierungsgerichts (vgl. § 96 Abs. 5 StaRUG). Es ist Aufgabe des Moderators, regelmäßige Sachstandsberichte mindestens monatlich beim Restrukturierungsgericht einzureichen.

Eine sich in diesem Zusammenhang stellende Frage ist es, ob der Sanierungsmoderator sich ausschließlich auf die Moderation zwischen den Vertragsparteien beschränken kann oder ob in diesem Zusammenhang nicht ein schlüssiges Sanierungskonzept erstellt werden muss. Das StaRUG spricht in diesem Zusammenhang grundsätzlich vom Sanierungsvergleich. Lediglich im Zusammenhang mit der gerichtlichen Bestätigung eines Sanierungsvergleiches taucht der Begriff des „Sanierungskonzeptes“ auf (vgl. § 97 Abs. 1 StaRUG). In Abhängigkeit von der Komplexität der Sanierungsaufgabe und den Anforderungen durch die Verfahrensbeteiligten kann daher die Aufgabe des Sanierungsmoderators von der „reinen“ Moderation bis zur Begleitung eines vollständigen Sanierungskonzeptes reichen.

Ist das Verfahren kosten- und zeitintensiv?

Der Bundestag, die jeweiligen Ausschüsse und der Bundesrat haben besonders auf die Kosten bei den Instrumenten des StaRUG geachtet. Nach § 98 Abs.1 StaRUG hat der Sanierungsmoderator Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung. Diese bemisst sich nach dem tatsächlichen Zeit- und Sachaufwand der mit der Sanierungsmoderation verbundenen Aufgabe. Gemäß den Regelungen der §§ 80 bis 83 StaRUG kann der Stundensatz je nach Komplexität der Aufgabenstellung bis zu 350 Euro betragen, in besonderen Ausnahmefällen auch darüber hinaus. Mit Bestellung des Sanierungsmoderators setzt das Gericht die tatsächlich zur Anwendung kommenden Stundensätze fest. Es  soll auch schon in dieser Phase einen Höchstbetrag für das gesamte Honorar festsetzen. Die künftige Praxis wird zeigen, welche Stundensätze und Honorare tatsächlich zur Abrechnung kommen.

Neben den unmittelbaren Kosten war es das Ziel des Gesetzgebers, dieses Verfahren zeitlich zu begrenzen. Das Gericht bestellt den Sanierungsmoderator grundsätzlich für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, der auf Antrag aller Parteien um weitere drei Monate verlängert werden kann (vgl. § 95 Abs. 1 StaRUG).

Müssen alle Gläubiger einer Sanierungsvergleichsvereinbarung zustimmen?

Ein Sanierungsvergleich kommt nur bei vollständiger Zustimmung aller beteiligten Gläubiger zustande. Eine Mehrheitsentscheidung mit unterschiedlichen Quoren, wie es im Restrukturierungsrahmen oder beim ESUG-Verfahren vorgesehen ist, kommt für die Sanierungsmoderation nicht in Betracht. Es ist Aufgabe des Sanierungsmoderators, durch kluge und zielführende Moderation eine konsensuale Lösung zu finden.

Bedarf ein Sanierungsvergleich einer gerichtlichen Bestätigung?

„Ein Sanierungsvergleich, den der Schuldner mit seinen Gläubigern schließt und an dem sich auch Dritte beteiligen können, kann auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt werden“ (vgl. § 97 Abs. 1 Satz 1 StaRUG).

Wesentlicher Vorteil der gerichtlichen Bestätigung ist die größere Rechtssicherheit hinsichtlich einer möglichen späteren Anfechtung für die beteiligten Parteien (vgl. § 97 Abs. 3, 90 StaRUG).

Fazit

Außergerichtliche und außerinsolvenzliche Vergleichsgespräche zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern unter Hinzuziehung von Fachleuten und Wirtschaftsmediatoren sind keine Erfindung des StaRUG. Auch der Nachteil, dass nur im Wege der Einstimmigkeit Sanierungsvergleiche zustande kommen, ist nicht neu.

Durch das Institut der Sanierungsmoderation hat der Gesetzgeber den außergerichtlichen Vergleich näher an die gerichtliche Begleitung gerückt. Dennoch wurde ein hohes Maß an Freiheit für den Schuldner belassen. In der Außenwirkung sind damit wesentliche Vorteile verbunden:

  1. Stilles Verfahren, da keine Publikationspflichten bestehen
  2. Seriosität des Verfahrens für die Beteiligten durch ständige Begleitung durch den Sanierungsmoderator und dessen Überwachung durch das Restrukturierungsgericht
  3. Größere Insolvenz- und Anfechtungssicherheit der erzielten Ergebnisse für die Verfahrensbeteiligten durch die gerichtliche Bestätigung eines Sanierungsvergleichs
  4. Möglichkeit, bei einzelnen „Zustimmungsverweigerern“ zu den weiteren Werkzeugen des StaRUG zu wechseln. Die Kontinuität der begonnen Arbeit kann somit auch weiterhin gewährleistet werden

Das Verfahren birgt die Chance, dass bereits mit einer schnellen und kostengünstigen Sanierungsmoderation das Problem gelöst werden kann, ohne dass die weiteren Wege zu den Instrumenten des StaRUG oder der Insolvenzordnung zwangsläufig verbaut werden.

Dr. Utz Brömmekamp

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