Herabsetzung der Haftsumme: Haftet der Kommanditist für Altverbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft?

Die Außenhaftung von Kommanditisten für Altverbindlichkeiten ist im Falle der Herabsetzung der Haftsumme im Umfang des die neue Haftsumme übersteigenden Betrages zeitlich begrenzt. Die fünfjährige Nachhaftungsfrist beginnt bereits mit dem Ende des Tages, an dem der Gesellschaftsgläubiger positive Kenntnis von dem Herabsetzungsbeschluss erlangt, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Herabsetzung noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist. Diese Entscheidung fällte der Bundesgerichtshof (BGH).

Der BGH klärte mit Urteil vom 04.05.2021 (Az. II ZR 38/20) zum ersten Mal zwei äußerst praxisrelevante Fragen.

  • Zum einen war bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob ein Kommanditist, dessen eingetragene Haftungssumme – also der Umfang, in dem er nach außen haftet – herabgesetzt wird, für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft zeitlich unbeschränkt in dem bisherigen Umfang haftet oder ob nach Ablauf von fünf Jahren ­– ähnlich wie beim Austritt aus der Kommanditgesellschaft – eine teilweise Enthaftung eintritt und sich der Umfang der Außenhaftung auf die neue – niedrigere – Haftungssumme reduziert.
  • Zum anderen war bisher nicht geklärt, wann die gegebenenfalls geltende Nachhaftungsfrist zu laufen beginnt – mit der Eintragung der Herabsetzung in das Handelsregister oder bereits mit Kenntnis des Gläubigers vom Herabsetzungsbeschluss, wenn er diese Kenntnis vor der Eintragung erlangt.

Haftung zeitlich begrenzt

Der BGH stellte klar, dass die Nachhaftung des Kommanditisten in voller Höhe der bisherigen Haftungssumme in entsprechender Anwendung der § 160 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 HGB zeitlich auf fünf Jahre begrenzt ist. Paragraph 160 HGB regelt zwar nur den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters. Der BGH betonte aber insoweit eine ähnliche Interessenlage und stellte zutreffend fest, dass aus Sicht der Gläubiger die Herabsetzung der Hafteinlage wie ein teilweises Ausscheiden wirke. Wer nur teilweise ausscheidet, soll im Umfang seines Ausscheidens nicht strenger haften als derjenige, der vollständig ausscheidet. Es seien keine Gründe dafür ersichtlich, dass derjenige, der in Zukunft als Kommanditist nur noch in geringerem Umfang haften will, schlechter stehen soll als derjenige, der künftig überhaupt nicht mehr haften will. Deshalb werde der Grundsatz der Unwirksamkeit der Herabsetzung der Hafteinlage gegenüber Altgläubigern durch entsprechende Anwendung von § 160 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 HGB zeitlich begrenzt.

Fristbeginn mit der Kenntnis des Herabsetzungsbeschlusses

Die fünfjährige Nachhaftungsfrist beginne mit der positiven Kenntnis des Gläubigers von der Herabsetzung der Hafteinlage. Der BGH argumentiert mit dem Willen des Gesetzgebers, eine einheitliche Haftungsbegrenzung im Personengesellschaftsrecht herzustellen. Dieser Wille manifestierte sich bereits deutlich im Nachhaftungsbegrenzungsgesetz aus dem Jahr 1994.

  • Im Falle einer GbR kann die Nachhaftungsfrist nur mit der Kenntnis des Gläubigers beginnen, weil das Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters in das Handelsregister nicht eingetragen werden kann.
  • Für die OHG entschied der Senat bereits im Jahre 2007 (Urteil vom 09.2007 – II ZR 284/05), dass – entgegen dem Wortlaut des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB – die Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden maßgeblich ist, wenn die Eintragung dieser Tatsache in das Handelsregister später oder gar nicht erfolgte. Als Begründung führte der BGH damals an, der Sinn des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB sei, dem Gesellschafter einer OHG die Notwendigkeit zu ersparen, alle Gläubiger von seinem Ausscheiden einzeln in Kenntnis zu setzen. Stattdessen lasse es der Gesetzgeber für den Fristbeginn ausreichen, dass die Gläubiger von dem Ausscheiden durch Einsichtnahme in das Handelsregister Kenntnis erlangen können.
  • Für den ausscheidenden Kommanditisten einer KG gelte aufgrund der identischen Interessenlage nichts anderes als für einen OHG-Gesellschafter. Die Eintragung der Herabsetzung der Haftsumme sei wie bei der offenen Handelsgesellschaft nur der späteste mögliche Zeitpunkt für den Beginn der Nachhaftung.

Da es nicht sachgerecht wäre, das vollständige Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft und das Teilausscheiden eines Kommanditisten unter Nachhaftungsgesichtspunkten unterschiedlich zu behandeln, sei die Kenntnis des Gläubigers von der Herabsetzung der Haftsumme maßgeblich.

Der Einwand, dass gemäß § 174 Hs. 1 HGB die Herabsetzung der Haftsumme den Gläubigern gegenüber erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam ist, blieb erfolglos. Laut BGH entfalte die Eintragung für die Altgläubiger keine konstitutive Wirkung. Deren Situation ändere sich durch die Eintragung nicht. Nach § 174 Hs. 2 HGB müssen Altgläubiger, also die Gläubiger, deren Forderungen zur Zeit der Eintragung begründet waren, die Herabsetzung nicht gegen sich gelten lassen. Da die Eintragung für sie keine Haftungszäsur darstelle, spreche dies gegen die Hereinziehung der Eintragung als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Nachhaftung. Der BGH weist darauf hin, dass eine unangemessene Benachteiligung von Altgläubigern nicht vorliege. Diese haben ab der positiven Kenntnis von der Haftungsreduzierung fünf Jahre Zeit, um auf die veränderte Haftungslage zu reagieren.

Kommentar

Die Argumentation des BGH ist überzeugend und bestätigt die bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie die herrschende Meinung in der Literatur. Ganz aktuell lieferte der Gesetzgeber ein weiteres Argument dafür, dass der Beginn der Nachhaftung nach seinem Willen von der Kenntnis des Gläubigers abhängig sein soll. Gemäß § 728b Abs. 1 S. 3 BGB, der durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3436) eingeführt wurde und ab dem 01.01.2024 gelten wird, beginnt die fünfjährige Nachhaftungsfrist, sobald der Gläubiger von dem Ausscheiden des Gesellschafters Kenntnis erlangt hat oder das Ausscheiden des Gesellschafters im – derzeit noch nicht existierenden – Gesellschaftsregister eingetragen worden ist. Das Urteil steht daher im Einklang, auch mit den neuesten Änderungen im Gesellschaftsrecht.

Praxishinweise

  1. Ein Kommanditist, der aus der Gesellschaft ausscheidet oder dessen Haftsumme herabgesetzt wird, soll auf eine unverzügliche Eintragung dieses Umstandes in das Handelsregister bestehen. Spätestens mit der im Streitfall leicht nachweisbaren Eintragung beginnt die Nachhaftungsfrist zu laufen. Ist es absehbar, dass sich die Eintragung verzögert, verbleibt nur die Möglichkeit, die bekannten Gläubiger über den Gesellschafterbeschluss in Kenntnis zu setzen. Diese Lösung hat allerdings mehrere Nachteile. Der Kommanditist kennt häufig nicht alle Gläubiger der Gesellschaft. Da der Kommanditist im Prozess die Beweislast für die Kenntnis des Gläubigers trägt, muss er dafür Sorge tragen, dass er die Kenntnisnahme auch beweisen kann. Schließlich läuft der Kommanditist Gefahr, dass er durch das Informieren des Gläubigers diesen gerade auf die Idee bringt, gegen ihn vorzugehen. Die Handelsregistereintragung ist insoweit unauffälliger.
  2. Gesellschaftsgläubiger, die erwägen, einen Kommanditisten in Anspruch zu nehmen, der ausgeschieden ist oder dessen Haftsumme herabgesetzt wurde, sollten genau untersuchen, wann sie von diesem Umstand Kenntnis erlangt haben. Das kann gerade dann problematisch sein, wenn der Gläubiger eine Gesellschaft ist und im relevanten Zeitraum personelle Änderungen in der Geschäftsleitung stattgefunden haben. In dem durch den BGH entschiedenen Fall wurde die Klage durch einen Insolvenzverwalter erhoben, der offenbar übersah, dass „seine“ Gesellschaft den Herabsetzungsbeschluss bereits Monate vor der Handelsregistereintragung kannte. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Nachhaftungsfrist deshalb bereits abgelaufen. Im Zweifelsfall sollte bei der Berechnung der fünfjährigen Nachhaftungsfrist aus Gründen der Rechtssicherheit das Datum des entsprechenden Beschlusses und nicht das der Eintragung in das Handelsregister herangezogen werden.

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Rechtsanwalt Aleksander Barasiński

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