Von der Drohung zur Chance: Insolvenzantrag durch einen Gläubiger

Der Insolvenzantrag durch einen Gläubiger ist ein Wendepunkt, der die Zukunft eines Schuldners entscheidend prägen kann.

Was bedeutet es, wenn ein Gläubiger diesen Schritt unternimmt, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den betroffenen Schuldner, und vor allem, welche Strategien stehen zur Verfügung, um sich gegen einen solchen Antrag zu wehren oder dessen negativen Folgen abzumildern?

Diese und weitere Fragen sollen in diesem Beitrag näher beleuchtet werden.

Was ist ein Gläubigerantrag?

Ein Gläubigerantrag ist ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, der von einem Gläubiger gegen seinen Schuldner gestellt wird. Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht, § 14 Abs. 1 S. 1 InsO.

Eine Grundvoraussetzung für einen Gläubigerantrag ist also zunächst, dass dem den Antrag betreibenden Gläubiger im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eröffnungsantrag ein begründeter persönlicher Vermögensanspruch gegen den Schuldner zusteht. Auf die Fälligkeit der Forderung kommt es nicht an.

Als Korrektiv für das grundsätzlich weitgehende Antragsrecht der Gläubiger dient das weitere Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses des antragstellenden Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Von einem Rechtsschutzinteresse ist in der Regel auszugehen, wenn der Antrag des Gläubigers alle weiteren notwendigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Dies bedeutet insbesondere, dass er sowohl eine bestehende Forderung als auch einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann. Ein Rechtsschutzinteresse des Gläubigers liegt dagegen nicht vor, wenn er seine Forderung auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchsetzen könnte und er durch ein solches Verfahren in keiner Weise besser gestellt würde.

Andererseits ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers nicht davon abhängig, ob er in einem einmal eröffneten Insolvenzverfahren eine Befriedigung seiner Ansprüche erlangen kann. Der Gläubiger ist auch nicht verpflichtet, zunächst eine Einzelzwangsvollstreckung zu versuchen.

Was passiert, wenn ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt?

Hat der Gläubiger sein Rechtsschutzinteresse, seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft dargelegt, führt das Insolvenzgericht eine Anhörung durch, bei der der Schuldner entweder persönlich zu einem bestimmten Termin erscheinen oder schriftlich Stellung nehmen muss.

Parallel dazu stellt das Gericht erste eigene Nachforschungen an, indem es üblicherweise Informationen vom zuständigen Gerichtsvollzieher und aus dem Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts einholt.

Nach der Anhörung oder wenn keine Rückmeldung erfolgt, prüft das Gericht von Amst wegen, ob ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt und ob genügend Vermögenswerte vorhanden sind, um die Verfahrenskosten zu decken (§§ 5, 16 bis 19, 26 InsO).

Für eine umfassende Klärung des Sachverhalts kann das Gericht insbesondere die Beauftragung eines Sachverständigen veranlassen (§ 5 Abs. 1 InsO).

Wenn nötig, kann das Gericht auch vorübergehende Maßnahmen ergreifen, um das Vermögen des Schuldners zu sichern, §§ 21, 22 InsO. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit,

  • einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen
  • dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind oder
  • Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen

Ergibt sich aus den beschriebenen Maßnahmen, dass ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht und genügend Vermögenswerte vorhanden sind, um die anfallenden Verfahrenskosten zu decken, oder wenn der Schuldner oder die Schuldnerin eine Stundung der Verfahrenskosten beantragt hat (dies ist ausschließlich bei natürlichen Personen möglich, sofern gleichzeitig ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde), wird das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet, §§ 16, 27 InsO.

Was tun gegen den Insolvenzantrag eines Gläubigers?

Bei einem Fremdantrag durch Gläubiger hat das Unternehmen grundsätzlich zwei Optionen: Der Schuldner kann entweder die ausstehende Forderung umgehend begleichen oder selbst einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.

Es ist dabei zu beachten, dass der Fremdantrag gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 InsO nicht allein dadurch unzulässig wird, dass die Forderung erfüllt wird. Im Hinblick auf eine Weiterverfolgung des Insolvenzantrags gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 InsO benötigt der Antragsteller allerdings ebenfalls ein besonderes Rechtsschutzinteresse.

Der Bundesgerichtshof hat insoweit klargestellt, dass für die Berechtigung eines Gläubigers, die Fortführung eines Insolvenzverfahrens trotz Erfüllung der Forderung zu verlangen, hohe Hürden bestehen (Urteil vom 11. April 2013 – IX ZB 256/11). Ein solches Rechtsschutzinteresse wird nur dann bejaht, wenn konkret die Gefahr droht, dass der Schuldner durch die Fortführung seiner wirtschaftlichen Aktivitäten neue, ungesicherte Verbindlichkeiten begründet und der Gläubiger dies nicht vermeiden kann (Urteil vom 12. Juli 2012 – IX ZB 18/12).

Umgekehrt können Gläubiger, die in der Lage sind, die Geschäftsbeziehung zum Schuldner umgehend zu beenden, grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an der Aufrechterhaltung eines Insolvenzantrags aufgrund zwischenzeitlich erfüllter Forderung geltend machen.

Hintergrund hierfür ist, dass die Beendigung der Geschäftsbeziehung eine einfachere und direktere Möglichkeit bietet, das Entstehen künftiger Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner zu verhindern, als die Fortsetzung des Insolvenzverfahrens.

Wenn es einem Unternehmen nicht möglich ist, die Schuld, die zum Insolvenzantrag geführt hat, kurzfristig zu begleichen, sollte es unverzüglich einen eigenen Insolvenzantrag stellen.

Wurde der Fremdantrag über das Vermögen einer wirtschaftlich selbstständigen (und damit einer natürlichen) Person gestellt, ist die Stellung eines eigenen Insolvenzantrags und insbesondere eines Antrags auf Restschuldbefreiung von besonderer Bedeutung.

Denn die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners selbst voraus, der gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 InsO mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Unterbleibt die Verbindung, ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach gerichtlichem Hinweis zu stellen.

Wird auch dies versäumt, tritt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine Restschuldbefreiung ein.

Sanierungsoptionen prüfen

Es gibt verschiedene Sanierungsoptionen, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Abwendung der Insolvenz ermöglichen können. So kann ein Sanierungsplan z. B. die Stundung bzw.  Reduzierung von Verbindlichkeiten oder die Aufnahme neuer Kredite vorsehen.

Liegt nur eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor, kommt ein Restrukturierungsplanverfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (kurz: StaRUG) in Betracht. Danach können außerhalb der Insolvenz ausgewählte Verbindlichkeiten neu strukturiert werden. Das Verfahren ist nicht öffentlich.

Liegen (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, sollte die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung geprüft werden. In der Eigenverwaltung führt der Schuldner das Unternehmen unter Aufsicht eines Sachwalters fort. Sie ermöglicht eine umfassende operative und finanzwirtschaftliche Restrukturierung.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Insolvenzantrag durch einen Gläubiger für die betroffenen Schuldner zwar eine ernste Situation darstellt, aber nicht das Ende aller Möglichkeiten bedeutet.

Durch das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der verfügbaren Gegenmaßnahmen können Schuldner aktiv Schritte unternehmen, um ihre Position zu verbessern.

Idealerweise kommt es erst gar nicht dazu, dass man sich einem Fremdantrag ausgesetzt sieht. Es gibt zahlreiche gesetzliche Werkzeuge und Handlungsoptionen mit denen die Zukunft des Schuldners auch im Umfeld wirtschaftlich schwieriger Zeiten gestaltet werden kann.

Sie haben Fragen zu dem Thema? Wir beantworten sie Ihnen gerne!

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht Philipp Wolters

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