Einschränkung des Kleinbeteiligtenprivilegs für darlehensgebende Minderheitsgesellschafter

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 26. Januar 2023 (IX ZR 85/21) die Anwendung des „Kleinbeteiligtenprivilegs“ nach § 39 Abs. 5 InsO eingeschränkt. Das Urteil betrifft die Frage, unter welchen Umständen sich ein Minderheitsgesellschafter einer insolventen Gesellschaft auf dieses Privileg berufen kann.

  1. Nachrang von Gesellschafterdarlehen

Darlehen von Gesellschaftern sind in der Regel im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Darlehensnehmerin nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5), d.h. die Darlehensgeber können erst dann mit einer Quotenzahlung rechnen, wenn die Forderungen der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger vollständig aus der Insolvenzmasse erfüllt werden konnten. Darüber hinaus können Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag der Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO unterliegen. Insofern besteht für die Gesellschafter stets das Risiko, die von der Gesellschaft auf das Darlehen geleisteten Zahlungen an den Insolvenzverwalter zurückzahlen zu müssen.

2. Ausnahme: Kleinbeteiligtenprivileg

Diese Rechtsfolgen treten grundsätzlich dann nicht ein, wenn der darlehensgebende Gesellschafter nicht Geschäftsführer und mit zehn Prozent oder weniger am Haftkapital der Darlehensnehmerin beteiligt ist (Kleinbeteiligungsprivileg), § 39 Abs. 5 InsO. Das Kleinbeteiligtenprivileg schützt damit die Gesellschafter vor einem Nachrang ihrer Forderungen oder einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter. Der Gesetzgeber rechtfertigt die Unterscheidung zwischen darlehensgebenden Gesellschaftern und externen Fremdkapitalgebern sowie zwischen Kleinbeteiligten mit der Überlegung, dass Gesellschafter am Unternehmenserfolg unmittelbar profitieren würden und daher auch ein höheres Risiko tragen sollten.

3. Einschränkung des Kleinbeteiligtenprivilegs

Der BGH hat nun entschieden, dass das Kleinbeteiligtenprivileg bei einer koordinierten Finanzierung der Gesellschafter einzuschränken sei, sofern die Gesellschafter eine „überschießende unternehmerische Verantwortung“ übernommen hätten. In der zitierten Entscheidung des BGH wurde einem Gesellschafter, der genau zehn Prozent der Beteiligungen an der insolventen Gesellschaft hielt, die Berufung auf das Kleinbeteiligtenprivileg verwehrt.

Die Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft finanzierten diese über ein Konsortium und erhielten als Sicherheit eine abgetretene Eigentümergrundschuld. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft forderte die Rückübertragung der Eigentümergrundschuld gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Ein Gesellschafter, der mit zehn Prozent an der insolventen Gesellschaft beteiligt war, berief sich auf das Kleinbeteiligtenprivileg. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass sich der Gesellschafter nicht auf das Kleinbeteiligtenprivileg berufen könne, da es eine Finanzierungskoordination zwischen den Gesellschaftern gegeben habe. Diese Koordination wurde als eine die Anteile „überschießende unternehmerische Verantwortung“ angesehen. Daher seien die Anteile der Gesellschafter zu addieren, weshalb dem betreffenden Gesellschafter mit Blick auf § 39 Abs. 5 InsO mehr als zehn Prozent der Anteile zuzurechnen seien.

4. Ergebnis

Die Konsequenzen des Urteils sind noch nicht abschließend erkennbar. Es bleibt zu klären, wann eine „überschießende unternehmerische Verantwortung“ anzunehmen ist und welche Voraussetzungen an eine koordinierte Finanzierung zu stellen sind. Eine koordinierte Finanzierung mit wechselseitiger Verpflichtung zur Leistung von Finanzierungsbeiträgen und einer Innenausgleichsvereinbarung im Rahmen eines Konsortialvertrags könnte jedenfalls darauf hindeuten. Die konkrete Finanzierungsverantwortung, die dem BGH zur Beurteilung vorlag, wird nicht abschließend zu verstehen sein. Gesellschafterfinanzierungen sind daher stets individuell zu bewerten, um das Risiko eines wirtschaftlichen Schadens für die Gesellschafter im Insolvenzfall zu minimieren.

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Rechtsanwalt Daniel Eckart

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