Umgang mit steuerlichen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) nach Abschluss eines Insolvenzplanverfahrens: Der Bundesfinanzhof präzisiert

Das Insolvenzplanverfahren dient insbesondere der Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren unter Erhalt der Gesellschaft, die Trägerin des Unternehmens ist (typischerweise GmbH oder GmbH & Co. KG). Rechtsfolge dieses Erhalts der unternehmenstragenden Gesellschaft ist u. A., dass gegenüber dem Finanzamt diese Gesellschaft die steuerliche Verantwortung auch für Zeiträume vor Stellung des Insolvenzantrages und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin wahrnehmen muss.

Bei stringenter Verfahrensführung besteht in vielen 
Fällen die Möglichkeit, ein solches Insolvenzplanverfahren innerhalb weniger Monate von der Stellung des Insolvenzantrages bis zur Rechtskraft des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu erreichen.

Gegenläufig hierzu ist in der Bearbeitung der Jahresabschlüsse und der jährlichen Steuererklärungen eine deutliche Tendenz dahingehend zu erkennen, die entsprechenden Fristen zu verlängern. Dies hat zur Folge, dass die abschließende Ermittlung der Ansprüche des Finanzamts sich immer weiter verzögert. Dadurch wird auch die Ermittlung der steuerlichen Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO gleichermaßen in die Zukunft verschoben.

Bundesfinanzhof bestätigt kurze Verjährungsfrist für steuerliche Insolvenzforderungen bei erfolgreichem Insolvenzplanverfahren

Von besonderer Bedeutung ist entsprechend, in welchem Umfang das Finanzamt bei erfolgreicher Umsetzung eines Insolvenzplans mit der nachfolgenden Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Erhalt der unternehmenstragenden Gesellschaft (typischerweise GmbH oder GmbH & Co. KG) nach der Rechtskraft des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch steuerliche Insolvenzforderungen geltend machen kann.

Zwar besteht seit Inkrafttreten des ESUG gemäß § 259b
 InsO eine besondere Verjährungsfrist zur Dauer von einem Jahr, gerechnet ab Rechtskraft der gerichtlichen Planbestätigung. Diese besondere Verjährungsfrist gilt unabhängig von der Frage, aus welchem Rechtsgrund die gegen das Unternehmen gerichtete Insolvenzforderung entstanden ist, also sowohl für zivilrechtliche vertragliche Ansprüche gegen das Unternehmen als auch für öffentlich-rechtliche Abgabenforderungen, insbesondere des Finanzamts und der Krankenkassen als Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge.

In der Praxis wird jedoch häufig hinterfragt, ob diese Verjährungsfrist im Bereich der steuerlichen Insolvenzforderungen auch dann Anwendung finden kann, wenn der Sachverhalt, der zu einer steuerlichen Nachforderung führt, dem Finanzamt erst im Nachgang zum Insolvenzverfahren bekannt geworden ist. Insbesondere im Rahmen von Unternehmensprüfungen bei Unternehmensverkäufen (Due Diligence) wird häufig hinterfragt, ob die Regelung steuerlicher Insolvenzforderungen durch einen Insolvenzplan dem Investor hinsichtlich solcher steuerlichen Risiken tatsächlich Rechtssicherheit verschafft.

Mit Urteil vom 8.3.2022, VI R 33/19, hat der Bundesfinanzhof nunmehr im Leitsatz 1 bestätigt, dass das Finanzamt Steuern als Nachzügler nur innerhalb der Frist des § 259b InsO festsetzen kann. Mit dieser Entscheidung können insbesondere bei Investorenverhandlungen im Rahmen von Insolvenzplanverfahren im Unternehmen in der Eigenverwaltung bessere Argumentationsmöglichkeiten hinsichtlich der Rechtssicherheit des Investors bezüglich steuerlicher Insolvenzforderungen geboten werden.

Genaue Prüfung von Steuerbescheiden zu steuerlichen Insolvenzforderungen durch das Unternehmen erforderlich

Zugleich bekräftigte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung dahingehend, dass durch einen rechtskräftigen Insolvenzplan die steuerlichen Insolvenzforderungen (Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis) nicht im Sinne des § 47 AO erloschen sind. Es besteht zugunsten des schuldnerischen Unternehmens lediglich ein Aufrechnungs- und Vollstreckungsverbot. Dies bedeutet, dass

  • steuerliche Insolvenzforderungen nicht mehr durch das Finanzamt vollstreckt werden dürfen sowie
  • steuerliche Erstattungsansprüche aus Zeiträumen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht durch das Finanzamt gegen steuerliche Insolvenzforderungen aufgerechnet werden dürfen.

Die Festsetzung von Steuerforderungen nach Maßgabe des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung) bleibt jedoch zulässig, und zwar in der Art und Weise, dass die gesamte steuerliche Insolvenzforderung durch das Finanzamt festgesetzt werden darf. Das Finanzamt ist nicht darauf beschränkt, seinen Anspruch auf Zahlung einer Insolvenzquote nach Maßgabe des Insolvenzplans festzusetzen. In der Praxis wird durch das Finanzamt sogar das sogenannte Leistungsgebot („Bitte zahlen Sie bis zum …“) unverändert in die Steuerfestsetzung aufgenommen.

Vielmehr muss das Unternehmen sicherstellen, dass bei der Festsetzung von Steuern, die insolvenzrechtlich steuerliche Insolvenzforderungen darstellen, nur die Quote ausgezahlt wird.

Haftungsrisiko für Organe für steuerliche Insolvenzforderungen auch bei erfolgreichem Insolvenzplanverfahren

Die Tatsache, dass steuerliche Insolvenzforderungen, die durch einen Insolvenzplan geregelt werden und bei denen das Finanzamt nur einen Anspruch auf Zahlung einer Insolvenzquote hat, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erneut in voller Höhe geltend gemacht werden können, führt weiterhin dazu, dass auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für die Geltendmachung steuerliche Haftungsansprüche, insbesondere gegen Geschäftsführer, besteht. Geschäftsführer können sich also nicht dadurch entlasten, dass steuerliche Verbindlichkeiten, auch wenn sie nur Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO sind und die Gesellschaft als Steuerschuldner nur die Zahlung einer Quote schuldet, als Rechtsgrundlage für eine steuerliche Haftung ausscheiden.

Von daher verbleibt es dabei, dass Geschäftsführer auch zur Vermeidung einer steuerlichen Haftung stets in besonderem Maße die Insolvenzreife (Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung) der von ihnen geführten Gesellschaft kritisch zu prüfen haben. Nur wenn der Geschäftsführer im Rahmen der laufenden Überprüfung der Insolvenzreife einen erforderlichen Insolvenzantrag innerhalb der gesetzlichen Fristen des § 15a InsO rechtzeitig stellt, kann er sich gegenüber dem Finanzamt gemäß § 15b Abs. 8 InsO bezüglich der unterbliebenen Zahlung fälliger Steuern ab Eintritt der Insolvenzreife entlasten.

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater Martin Rekers LL.M. Eur. LL.M. Steuern

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