Start-ups in der Krise – Die positive Fortführungsprognose bei Fremdfinanzierung

Unter einem Start-up werden Unternehmensneugründungen mit einer innovativen Geschäftsidee verstanden, die in jungen oder auch bereits existierenden Märkten ein neues Geschäftsmodell etablieren müssen. Naturgemäß ist der Finanzierungsbedarf von Start-ups bis zur Marktreife des neuen Geschäftsmodells hoch. In der Entwicklungsphase verzeichnen Start-ups ausschließlich Verluste. In dieser Situation müssen Geschäftsführer in besonderem Maße etwaige Insolvenzantragspflichten überwachen. Da die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte meist übersteigen, kommt es entscheidend auf eine positive Fortführungsprognose (auch als Fortbestehensprognose bezeichnet) an, um eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne ausschließen zu können.

Welche Insolvenzantragspflichten gelten?

Auch für Start-ups gelten die gesetzlichen Insolvenzantragspflichten, sofern das Start-up als Kapitalgesellschaft betrieben wird. Das Vertretungsorgan der Gesellschaft hat damit spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob beispielsweise eine Überschuldung auch festgestellt worden ist. Entscheidend ist der Eintritt der Überschuldung. Eine Verletzung der Insolvenzantragspflichten begründet eine persönliche Haftung der Geschäftsführung sowie den strafrechtlichen Vorwurf der Insolvenzverschleppung.

Was gilt bei Zahlungsunfähigkeit?

Zahlungsunfähigkeit liegt grundsätzlich vor, wenn ein Schuldner mindestens zehn Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen nicht bedienen kann. Um eine Zahlungsunfähigkeit und damit eine Insolvenzantragspflicht frühzeitig erkennen zu können, haben Geschäftsführer eine fortlaufende Liquiditätsplanung zu führen und zu überwachen. Wird eine Zahlungsunfähigkeit nach der Liquiditätsplanung absehbar, besteht noch keine Insolvenzantragspflicht. Tritt die Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich binnen der kommenden zwei Jahre ein, liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor, die keine Insolvenzantragspflicht auslöst, der Gesellschaft aber ein Recht zur Insolvenzantragstellung einräumt.

Was gilt bei insolvenzrechtlicher Überschuldung im Zusammenhang mit der Fortbestehensprognose?

Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist in den nächsten zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich (positive Fortführungsprognose). Besteht eine positive Fortführungsprognose scheidet eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne und damit eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung aus.

Was versteht man unter einer positiven Fortführungsprognose?

Was unter einer positiven Fortführungsprognose zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht eindeutig geregelt.

Bei einer positiven Fortbestehensprognose handelt es sich grundsätzlich um eine Zahlungsfähigkeitsprognose für den Zeitraum der nächsten zwölf Monate. Für eine positive Fortführungsprognose muss es überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Gesellschaft in diesem Zeitraum zahlungsfähig bleibt. Grundlage ist eine Liquiditätsplanung, die auf schlüssigen und realistischen Annahmen beruht und dokumentiert ist. Ob die Gesellschaft auch ertragsfähig sein muss, ist bislang ungeklärt. Ebenso ungeklärt ist, welche Anforderungen an Finanzierungszusagen zu stellen sind, damit Zahlungseingänge in der Liquiditätsplanung berechtigterweise angesetzt werden können.

Fortbestehensprognose: Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat sich mit dieser Frage in seiner Entscheidung vom 20.07.2021 (I-12 W 7/21) befasst und dabei auch die weiteren Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose konkretisiert.

Im vorliegenden Fall hatte ein Gesellschafter das Start-up bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen finanziell unterstützt. Außerdem hatte der Gesellschafter die weitere Finanzierung zugesagt, wenn eine nachvollziehbare Planung vorliege. Der Gesellschafter hatte schließlich die Finanzierung des Start-ups eingestellt, was zur Insolvenz der Gesellschaft führte. Der Insolvenzverwalter nahm daraufhin die Geschäftsführer auf Rückerstattung von Zahlungen der Gesellschaft in Anspruch. Er argumentierte, die Insolvenzreife der Gesellschaft habe bereits vor der Einstellung der Finanzierung durch den Gesellschafter bestanden. Denn der Gesellschafter habe selbst entscheiden können, ob er dem Start-up Darlehensmittel zur Deckung fälliger Verbindlichkeiten zur Verfügung stellen wolle. Auf der rechtlich unverbindlichen Hoffnung, der Gesellschafter werde die Finanzierung fortsetzen, habe keine Liquiditätsplanung aufgestellt werden können, weshalb von keiner positiven Fortführungsprognose ausgegangen werden durfte.

Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Grundsätze des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 23.01.2018 (II ZR 246/15) nicht uneingeschränkt anwendbar seien. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof vor dem Hintergrund des früheren Eigenkapitalersatzrechts entschieden, dass Kreditunwürdigkeit einer Gesellschaft vorliege, wenn die Gesellschaft sich die vom Gesellschafter gestellte Finanzierung nicht aus eigener Kraft hätte beschaffen können.

Dieser Gedanke lasse sich nach dem OLG Düsseldorf nicht auf die Prüfung einer positiven Fortführungsprognose übertragen. Für die Annahme einer positiven Fortführungsprognose komme es auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit an, fällige Verbindlichkeiten im Prognosezeitraum ausgleichen zu können, wobei die hierfür erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) zur Verfügung gestellt werden könnten. Der Geschäftsführer dürfe von einer positiven Fortführungsprognose ausgehen, solange ein nachvollziehbares Konzept vorliege, das irgendwann eine Ertragsfähigkeit des Start-ups erwarten lasse. Das gelte zumindest so lange nicht konkret wahrscheinlich sei, dass der Finanzierer die Finanzierung des Start-ups einstellen könne. In diesem Fall sei ein rechtlich gesicherter und damit einklagbarer Anspruch auf die Finanzierungsbeiträge für eine positive Fortbestehensprognose nicht erforderlich.

Das OLG Düsseldorf zeigt sich gegenüber Start-ups großzügig, was die Anforderungen an eine Liquiditätsplanung zur Begründung einer positiven Fortführungsprognose anbelangt. Der Ausnahmecharakter der Entscheidung sollte aber nicht zur Nachlässigkeit verleiten. Zum einen steht die Entscheidung für die positive Fortbestehensprognose unter zahlreichen Bedingungen und betrifft einen individuellen Einzelfall. Zum anderen kann diese Rechtsfrage in anderen OLG-Bezirken auch strenger beurteilt werden. Daher sind möglichst belastbare Finanzierungszusagen ratsam und Bedingungen zur positiven Fortbestehensprognose sollten nur dann akzeptiert werden, wenn diese eindeutig bestimmbar sind. Im Ergebnis sollte die Finanzierungszusage auch weiterhin verbindlich sein und so formuliert werden, dass der Anspruch auf Finanzierung notfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden kann.

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Rechtsanwalt Daniel Eckart

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